(Psycho-)Pathologische Phänomene in Mela Hartwigs Ekstasen
Hauptsächlicher Artikelinhalt
Abstract
Im Mittelpunkt dieses Beitrags stehen (psycho)pathologische Phänomene, die weibliche Heldinnen aus vier Novellen der österreichischen Schriftstellerin Mela Hartwig (Das Verbrechen, Der Phantastische Paragraph, Aufzeichnungen einer Häßlichen und Die Hexe) verbinden. Das Bindeglied zwischen ihnen ist die Positionierung der Hauptfiguren in Bezug auf gesellschaftliche Werte, Normen und Erwartungen, d. h. ihr Außenseiterstatus. In den Novellen Das Verbrechen, Aufzeichnungen einer Häßlichen und Der Phantastische Paragraph müssen sich die Heldinnen mit verschiedenen Paradigmen der frauenfeindlichen österreichischen Kultur des frühen 20. Jahrhunderts auseinandersetzen. In der Novelle Die Hexe, die im 17. Jahrhundert spielt, ist die gesellschaftliche Konstellation etwas anders, sodass die Heldin mit veränderten Machtkonzepten konfrontiert wird. Hartwig untersucht verschiedene (psycho)pathologische Phänomene, die bei ihren weiblichen Figuren auftreten, und entdeckt (außer)institutionelle Mechanismen, die die Grenze zwischen normalem/akzeptablem und krankem/unakzeptablem Verhalten festlegen oder aufheben. Ihre Heldinnen reagieren auf Unterdrückung mit Selbstmordversuchen, promiskuitivem Verhalten, Wahnvorstellungen, Rückzug in eine parallele Fantasiewelt, Konstruktion übernatürlicher Erfahrungen und sogar mit Mord. Psychopathologische Phänomene, die zu einem integralen Bestandteil ihrer Identität werden und ihren körperlichen und geistigen Ausdruck begleiten, projizieren ihren verzweifelten Ruf nach Hilfe. Ihr Kampf endet in einer Niederlage, weil sie als einsame Individuen nicht über die Macht der institutionellen Autoritäten triumphieren können. In ihren literarischen Texten zeigt die Autorin die ängstliche, depressive und sogar psychotische Realität der Frauen. Die schockierenden und/oder bizarren Situationen, die sie literarisch verarbeitet, erlauben es den Lesern, die Atmosphäre einer Epoche zu rekonstruieren, die paradoxerweise in den schriftlichen Quellen und im kollektiven Gedächtnis unter dem Begriff der Goldenen Zwanziger bekannt ist.